Als Patient selbst für Qualität sorgen und die Leitlinien durchsetzen
Ich erlebe gerade in der Familie die gesundheitlichen Auswirkungen, wenn Patienten jahrelang nicht nach den medizinischen Leitlinien betreut werden. Gleichzeitig entstehen Patientenportale, die mit digitalen Textdokumenten und Unterschriften eine strukturelle Verbesserung der Versorgung suggerieren. Die gedanklich fortgeschrittenen Projekte aus dem Umfeld der Wissenschaft und Drittmitteln überlegen, wie man die Leitlinien digitalisieren kann im Stile eines Merkzettels für Ärzte. Diese Gemengelage führt jedoch nicht zu einer Automatisierung des Behandlungsablaufes, sondern erfordert von sowohl Patienten wie auch Ärzten weiterhin sehr aktives Mitdenken.
Wir entwickeln in der AmbulApps jahrelang ein generisches Datenmodell für die Arzt-Patienten-Kommunikation und digitalisieren damit bestehende papiergebundene Abläufe in medizinischen Einrichtungen.
Wenn man etwas generisch tut, ist man ein Stück weit auf die Kreativität der Anwender*innen angewiesen. Ein Aha-Erlebnis haben wir aktuell in einem anspruchsvollen Projekt im Umfeld einer Universitätsklinik: Leitliniengerechte Prämedikation so, dass die Patienten vor der Aufnahme in der Klinik so erscheinen, dass alle Untersuchungen z. B. durch den Hausarzt durchgeführt/verfügbar sind,
alle für die Prämedikation relevanten Fragen durch die Patienten beantwortet wurden
oder letzte Lücken für eine OP/NOP-Entscheidung den aufklärenden Ärzten direkt unterbreitet und zu weiteren Handlungen auffordert
Damit wird die Qualität der medizinischen Versorgung ab der ersten Informationseingabe durch die Patienten durchgesetzt. Dennoch bleiben einige offene Punkte, die bedingt durch unser System in Deutschland noch schwach sind:
Präzise Angabe von Medikamenten über ATC/PZN, wenn kein Medikationsplan vorliegt oder noch Bedarfsmedikamente angegeben wurden
Unmöglichkeit, Arztbriefe, Befunde, EKG's etc. zu validieren hinsichtlich richtigem Zeitpunkt, Relevanz etc.
Umsetzung der Evidenzgrade im klinischen Alltag: Direkte Freigabe zur OP und Planung oder Aufschieben und weitere Untersuchungen
Fazit:
Wir brauchen eine digitale Form der Leitlinien, um gerade bei Evidenzgraden im digitalen Bereich die notwendige Präzision im klinischen Alltag zu erreichen und den Austausch über Best-Practices zwischen den Behandlern zu ermöglichen.
Digitale Dokumente, die keine Workflows und Logiken enthalten und keine bidirektionale Kommunikation zwischen Arzt und Patient ermöglichen, führen nicht zu einer echten Personalentlastung, sondern vermeiden nur Papier.
Patientenportale können aus Patientensicht heutzutage vieles angenehmer gestalten, strukturieren aber bislang nicht die eigentliche Behandlung
Je früher (also näher am Patienten) die Prozesse beginnen, desto weniger fehleranfällig sind die weiteren Schritte in der Klinik
Software muss so generisch sein, dass sie jede Veränderungen der Leitlinienvorgaben meistern und liefern kann
auch künstliche Intelligenz kann erst dann zu perfekten Ergebnissen führen, wenn verlässlich alle relevanten Daten durch alle Stakeholder verfügbar sind